Rundbrief März 2020

Integrität – Das Gewissen des Unternehmens

Die Produkte, die ein Unternehmen hervorbringt, geben ihm zwar ein äußeres Gesicht, das oftmals sogar als ein habituell großartig Gelungenes vom Markt gepriesen wird. Weniger sofort erkennbar allerdings tritt uns das menschlich Würdevolle in der sittlichen Hygiene der Arbeitswelt entgegen. Der Religionsphilosoph Romano Guardini (1885 – 1968) empfahl einmal den Großen und Einflussreichen dieser Welt, wer einen Menschen führen wolle, möge ihn erst einmal respektieren. Das Management mehrerer Unternehmen scheint den internationalen ethischen Appellen gefolgt zu sein, wenigstens einige interne Regeln und Richtlinien zu erarbeiten, um Verstöße und Unredlichkeiten im Geschäftsgebaren künftig zu vermeiden. Dieses Einhalten von Gesetz und Recht verbirgt sich hinter dem Begriff „Compliance“. Manchmal jedoch wird der kritische Zeitgenosse durch die verordnete Tugendhaftigkeit an die Persiflage auf das vermeintlich Religiöse erinnert: „Nicht wer am häufigsten über Gott redet, ist auch am nächsten bei Gott“ – und wandelt diesen ironischen Seitenhieb ab in die moralische Dressur –„ mit Compliance haben wir unser unternehmerisches Selbstverhältnis und unsere ethische Verpflichtung wunderbar geregelt“. Wie herrlich beruhigend mag doch diese höhere sittliche Selbstbeweihung in den Führungsetagen gesegnet worden sein! Trotz der Bemühungen um Unbescholtenheit jedoch sind z. B. mehrere Konzerne der Automobil- und Pharmaindustrie in eine bedenkliche Schieflage geraten, die ihre Reputation in die Niederungen einer beschämenden Konfusion gestürzt hat. Das Produktdenken hat das Sittliche vergessen!

Nein, die Compliance-Kultur kann vielleicht einen unreflektierten Handlungsdrang im Wirtschaftsleben zügeln; indes verfehlt sie ihr Ziel, wenn sie sich anschickt, die tiefste sittliche Geborgenheit im Menschen juristisch zu dogmatisieren. Es geht um das Gewissen, das die Ethik auch als „eine Forderung von uns selbst an uns selbst“ bezeichnet. (R. Spaemann) Das Gewissen nimmt uns in die Pflicht, es besetzt unsere Seelenlandschaft! Mit der Führungsethik jedoch, den greifbar gewordenen Gewissensspuren, ist die Basisdimension Führungskompetenz geradezu originär verwoben. Hier treffen Autonomie und Integrität geschwisterlich aufeinander. Und Autonomie meint in diesem Kontext jenen Zustand der inneren Integration, in dem ein Mensch in „voller Übereinstimmung mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen“ lebt. (A. Gruen) Ein solcher Mensch strahlt Souveränität aus, weil er die Sicherheit im Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen erworben hat. Seine innere Ausgeglichenheit begründet seine sympathische Erscheinung, ein vielfach bevorzugter und umworbener Gesprächspartner zu sein.

Die Etymologie von „integritas“ nun beschreibt persönliche Wesenszüge, die als Redlichkeit, Unbescholtenheit, Makellosigkeit, Unbestechlichkeit und Lauterkeit herausragen. Einer integrierten Persönlichkeit geht im Allgemeinen ein guter Ruf voraus; nicht zuletzt wegen ihrer Glaub- und Vertrauenswürdigkeit. Deshalb suchen in einem Unternehmen viele Beschäftigte die Nähe dieses Vorgesetzten. Sein reifes Urteilsvermögen lässt ihn als eine Persönlichkeit erscheinen, die aus kluger Sicht das Tagesgeschehen mit seinen Ambivalenzen von Verlockung und Verzicht, Verweilen und Verändern, Verurteilen und Verzeihen sorgsam begleitet. Ein integrer Vorgesetzter erweist sich zudem auch deshalb als kompetent in seinem Führungshandeln, weil er die tief in ihm verwurzelte Moralität durch Eigenwürde und Fremdwürde aufscheinen lässt. Weil er seinem Gewissen folgt, lebt er in der Treue zu sich selbst. In seiner Wesensmitte ruhend, kann er Besonnenheit als die Tugend des rechten Maßes praktizieren. Denn die Besonnenheit kennt das Gleichgewicht der Seele. So wird Integrität zu einem Kriterium für eine erfüllte Lebensgestaltung. Ohne Integrität ist Führungskompetenz allerdings nicht wirklich denkbar!

Zitat aus unseren Seminarinhalten

„Der Mensch ist kein beschreibbares Ding, kein Etwas – sondern ein unteilbares Wesen mit Vernunft: ein Jemand.“ (Boethius, 480 – 524)

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