„Wann wird endlich der neue Impfstoff auf den Markt gebracht?“ „Welche Hilfen bietet mir der Staat, damit mein Unternehmen nicht in die Insolvenz rutscht?“ „Welche Lebenserwartung bleibt den alten und kranken Menschen in diesen Krisenzeiten?“
Diese und andere Sorgenfalten furchen gegenwärtig das Gesicht unserer Gesellschaft. In seinem Essay „Menschliches Allzumenschliches“ aus dem Jahre 1878 schreibt der Philosoph Friedrich Nietzsche einen geradezu vernichtenden Satz über die Hoffnung: „..sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“ Angesichts dieser pessimistischen Anklage fällt es wohl schwer, die Hoffnung als eine Tugend zu loben. Und dennoch ist sie es!
Gewiss, wer Geduld als eine Lebenslast empfindet, kann die innere Spannung kaum ertragen, die sich mit dem Unerfüllten in ihm ausgebreitet hat. So mag die Ungeduld die Zeit des Wartens zermürben. Doch Hoffnung bringt auch Licht in manche Seelenkatakombe. Sie kann den seelischen Innenraum erhellen, weil sie uns hilft, uns dem erwarteten Ereignis in Vorfreude zu widmen. Ernst Bloch betitelte eines seiner Bücher mit den Worten „Ins Gelingen verliebt“ und ermuntert in den Aphorismen zu einer hoffnungsvollen Haltung dem Leben gegenüber. Nach dem Kirchenlehrer Thomas von Aquin schließlich richtet sich die Hoffnung auf ein „ersehntes und geliebtes Gut“. Und die Haltung der Erwartung drückt der Hebräerbrief mit den Worten aus „die Hoffnung auf das Künftige“.
Der hoffende Mensch wünscht oftmals – meist aus einem Unbehagen heraus – eine Veränderung in seinem Lebensgefühl. Dabei hilft es ihm, klare und realistische Ziele für sein Leben entdeckt zu haben. Für das Warum und Wie des eigenen Lebens eine Antwort gefunden zu haben, lässt das Hoffen als angemessen erscheinen. Schwebt aber die Hoffnung in einer realitätsfernen Vorstellung, kann der Einzelne in Enttäuschung und Verzweiflung enden. Ein enthoffneter Mensch jedoch ist seelisch gebrochen. Ohne einen Lebenssinn führt Hoffnung in eine psychische Krise. Sie verliert sich im Halbdunkel des Irrealen.
Dennoch gilt: Die Hoffnung ist eine freundliche Macht. Sie beflügelt uns zu einer Gewissheit, die allem inneren Enttäuschtwerden den Zutritt verwehrt. Sie begleitet uns in stiller Harmonie und steht uns bei in schmerzlichem Verlassensein. Hölderlin verehrt sie und sagt: „O Hoffnung, holde! gütig-geschäftige! Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst.“
Die Hoffnung lebt in Eintracht mit ihren beiden Schwestern: der Zuversicht und der Geduld. Die Zuversicht wiederum ist ganz mit dem Vertrauen verwoben, denn sie meint das feste Überzeugtsein von der Erfüllung der Erwartungen, die sie an ein künftiges Geschehen richtet. Wünsche an das Künftige halten uns aufrecht und nähren unsere Stimmung im Lebensalltag, damit sie nicht der Betrübnis verfalle. Bis unsere Erwartungen aber erfüllt werden, bedarf es eines geduldigen Verharrens im „Wartesaal zum großen Glück“, wie es in einem Chanson heißt.
Geduld ist eine Wesenshaltung. Ihr ruhiges Abwarten lässt der Zeit ihren Lauf; zudem übt sie behutsam Nachsicht mit dem Drängenden, dem das Hastige in seinem Lebensstil oft zum Verhängnis geworden ist. Der Zeitgeist fliegt zu schnell und begibt sich deshalb oft der Chance zu tieferem Reflektieren.
Der geduldige Mensch weiß sich von einem inneren Seinsgrund getragen, der ihm eine souveräne und zuversichtliche Lebensbeziehung schenkt.
Dies sind auch unsere geistigen Prinzipien: Wir öffnen für die Teilnehmenden das Tor zu einem neuen Selbstverständnis, in dem Gelassenheit und Geduld das kommunikative Geschehen bereichern.
Zitat aus unseren Seminarinhalten
„Es gehört zum Wesen der Hoffnung, dass sie enttäuscht werden kann, sonst wäre sie ja Zuversicht.“ (Ernst Bloch)