Rundbrief April 2021

Die digitale Seele

Wenn der Brandner Kaspar den Tod überlistet und ihm weitere achtzehn Lebensjahre abgaunert, so fesselt ihn der Daseinshunger an das Irdische mit all seinen hellen und düsteren Alltagsgesichtern. Und dennoch möchte er auch auf das „ewig Leben“ nicht verzichten, das ihm nach der Reinigung seiner Seele offensteht. Ja, das Wissen um das Ewige trägt eine Hoffnung in sich, die möglichst allem Geschaffenen Dauer, wenn auch in einer geistigen Sphäre, verleihen soll. So enden oftmals Gebete religiöser Gemeinschaften mit der tröstenden Wendung: „…von Ewigkeit zu Ewigkeit“; oder „Herr, schenke der Seele des Verstorbenen und uns allen ewiges Leben“! Und schließlich wünschen die Hinterbliebenen dem im Jenseits „Lebenden“: „Das ewige Licht leuchte ihm“!

In einem Gedicht des Philosophen Friedrich Nietzsche finden wir die lyrischen Zeilen: „Doch alle Lust will Ewigkeit -, will tiefe, tiefe Ewigkeit.“ (Zarathustra) Die Lust, mit dem Phänomen „Ewigkeit“ zu experimentieren, erfüllt die neue, digitale Welt mit einem schier unaufhörlichen Appetit. In diese Lustreflexionen, die Seele mit Algorithmen zu schmücken, können wir auch das aktuelle Buch „Die digitale Seele“ einordnen. Die beiden Autoren Block und Riesewieck haben den Untertitel gewählt „Unsterblich werden im Zeitalter Künstlicher Intelligenz“. Die digitale Seele ist ein künstlich „wiederbelebter“ Klon, der als Verstorbener  zu einem Chatpartner erweckt wird, gleichsam eine digitale Auferstehung feiert. Aus den typischen Merkmalen der (un)-toten Person erzeugt die Künstliche Intelligenz eine virtuelle Gestalt, die sie in ihrer Einmaligkeit als unsterblich erscheinen lässt. Der Verstorbene ist gleichsam abrufbar, seine digitale Präsenz hilft bei der Trauerarbeit. Wer aber nicht loslässt, kann den Wert einer Bindung nicht ermessen.   

Ist es nun wirkliche Hilfe, die ein Trauernder auf diese Weise empfängt? Wohl nicht! Wo bleibt das Seelische, das Ergriffensein, das für die Reifung der Persönlichkeit notwendig ist, und das für viele Menschen wahrhaft Spirituelle? Im digitalen Zeitalter droht das Emotionale zu verhärten, versinkt das Sittliche in der Profanität des Alltäglichen, die Seele wird ihrer selbst entfremdet. Unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fand anlässlich der Auftaktkonferenz zum Forschungsprojekt „Ethik der Digitalisierung“ am 17. August 2020 warnende Worte zum digitalen Zeitalter: „Die Revolution der Algorithmen, die gewaltigen Auswirkungen der digitalen Kommunikation sind eine globale Herausforderung…Deshalb müssen wir miteinander ins Gespräch kommen, uns fragen, welche Regeln wir im digitalen Raum vorfinden und welche wir uns geben wollen.“

Die digital eingeübte Kontinuität drängt unser Menschsein in die kalte Zone des Rationalen. Die Künstliche Intelligenz ist seelenlos; ihre transzendentale Heimatlosigkeit lässt den Sinnsucher auf seinen geistigen Irrfahrten allein. Das Eingangslied der Deutschen Messe von Franz Schubert allerdings bietet z. B. eine geistige Heimat an: „Wohin soll ich mich wenden…zu Dir, zu Dir, o Vater, komm ich in Freud‘ und Leiden …“ Mit der Erschaffung des digitalen Klons sind Authentizität und Würde des Individuums zu einem elektronischen Konstrukt erstarrt. 

In unseren persönlichkeitsorientierten Veranstaltungen erfahren die Teilnehmenden, wie es gelingt, im Zeitalter der Digitalisierung ethische Prinzipien zu bewahren und das kommunikative Miteinander würdevoll zu pflegen. Nicht zuletzt dienen unsere geistigen Inhalte jedem Einzelnen, den pandemischen Erschütterungen mit innerer Stabilität zu widerstehen, weil unser Menschenbild von der ewigen Gültigkeit der Seele geprägt ist.

Zitat aus unseren Seminarinhalten:

„Die Seele ist keine Metapher, sondern erlebbare Wirklichkeit.“

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