Selbstermächtigung und Autorität

Selbstermächtigung und Autorität

Selbstermächtigung und Autorität berühren eine grundlegende Frage der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, so paradox die beiden Begriffe auf den ersten Blick klingen: Selbstermächtigung erwächst aus innerer Freiheit und der Einzelne spricht mit eigener Stimme. Autorität hingegen markiert den äußeren Gegenpol und erinnert unangenehm an Fremdbestimmung und Gehorsam. Doch diese einfache Gegenüberstellung greift zu kurz, wie bereits Hannah Arendt 1956 feststellt: „Autorität und Freiheit sind keineswegs Gegensätze.“ Denn im Detail gelingt Selbstermächtigung nur über die schmerzvolle Auseinandersetzung mit Autorität. Auf der Weltbühne erleben wir dieser Tage, wie zäh und zugleich notwendig sich dieser Prozess vollzieht, wenn Europa sich anschickt, sich von den USA zu emanzipieren.

Sigmund Freud zeigt in seinem Entwicklungsverständnis der menschlichen Psyche, dass jede äußere Autorität im Verlauf des Erwachsenwerdens nach innen wandert. Unser Gewissen ist die verinnerlichte Stimme der Eltern und des moralischen Sollens. Es strukturiert und mahnt unser Ich auf gelegentlich einschränkende Weise, wenn wir uns etwas nicht gestatten. Und zugleich schenkt uns das Gewissen Orientierung darüber, wie wir entscheiden und handeln sollen. „Wo Es war, soll Ich werden“, schreibt Freud 1933, und nennt diesen Prozess „Kulturarbeit“. Es beschreibt den zentralen Vorgang, wie unbewusste Anteile durch Reflexion und Integration zur eigenen Autonomie beitragen, wie also die Person durch Selbstermächtigung die innere Führung übernimmt. Dabei geht es nicht um eine Befreiung oder einen Rückzug von Autorität, sondern um eine bewusste Umformung innerer Kräfteverhältnisse. Nur ein Ich, das sich seiner unbewussten Antriebe wie auch inneren Richter bewusst wird, kann eine eigene, tragfähige Autorität entwickeln. Noch radikaler formuliert es Friedrich Nietzsche, für den wahre Selbstermächtigung mit der „Umwertung aller Wert“ beginnt. Ein Akt, der die in uns wirksamen Autoritäten nicht einfach ablehnt, sondern aktiv durch eigene Werte ersetzt.

Wer sich aufmacht, sich selbst ermächtigt und dem eigenen Willen folgen mag, gerät zwangsläufig in Konflikte. Denn unterwegs werden innere Glaubenssätze und äußere Instanzen substantiell hinterfragt. Nicht aus Rebellion, sondern aus dem Wunsch nach Reife. Dieser schöpferische Akt ist ein langwieriger psychischer Prozess. Er bedeutet Schmerzen, Einsamkeit und Selbstzweifel. Selbstzweifel, die sich praktisch in endlosem Grübeln, Selbstvorwürfen und zögerlichem Handeln zeigen.

Jede innere und äußere Autorität muss sich hinterfragen lassen, will sie konstruktiv wirken und wahrgenommen werden. Wer diese Kritik nicht aushält, verliert an Legitimität. Das gilt für verinnerlichte Normen ganz ähnlich wie für Führungspersönlichkeiten in Wirtschaft und Politik.  Wenn Autorität sich dem Dialog nicht stellt, hemmt sie die Entwicklung derer, die sich ihr unterordnen. Daraus erwächst Verantwortung.

In der menschlichen Psyche wie auch der demokratischen Kultur sollten Selbstermächtigung und Autorität nicht in Konkurrenz stehen. Vielmehr braucht es Autorität, die Selbstermächtigung ermöglicht, und zugleich braucht es eine reife Selbstermächtigung, die Autorität legitimiert. Der Psychoanalytiker Erich Fromm bündelt die Gedanken in dem mächtigen Satz: „Der reife Mensch gehorcht sich selbst.“

Neues Seminar: Dialektik im Management

Mehrere Interessenten haben uns seit Jahresbeginn angesprochen, ob wir ein Seminar anbieten können, das sich gezielt an Führungskräfte von Führungskräften richtet und Kommunikation zum/ im Oberen Management thematisiert. Wir haben nun eine zweitägige Veranstaltung konzipiert, die erstmals im Oktober startet.

Eine detaillierte Seminarbeschreibung finden Sie hier, zwei Plätze sind noch frei.

Neues Design: Kunst im Fuggerhaus

Die hohen und weiten Räume in unserem Seminarzentrum im Fuggerhaus bieten sich für Kunstausstellungen geradezu an. Seit einigen Monaten präsentieren wir eine Sammlung von limitierten Lithografien. Einerseits stellen wir Jeremy Geddes aus Melbourne aus, der Motive des Scheiterns in einer Verschmelzung von Surrealismus und Hyperrealismus zeichnet. Andererseits zieren drei Motive von Justin Bower aus Los Angeles unsere Räume. Er setzt sich mit der Dekonstruktion von Identität auseinander.
Auf unserem Instagram-Account finden Sie kurze Videos mit den Bildern. Wer die Bilder auch jenseits eines Seminarbesuchs anschauen möchte, ist uns herzlich willkommen.

Zum Instagram-Account

Neues Buch: Demut

Uwe Schröder ist uns seit über 20 Jahren ein vertrauter Ansprechpartner in der Personalentwicklung gewesen. Nun ging der Manager aus der Automobilbranche in den Ruhestand und blickt auf seine Karriere, Managementmoden und Kompetenzen zurück. Entstanden ist ein leicht zugängliches Lesebuch mit dem Titel „Demut“. Baldur Kirchner wollte eigentlich das Geleitwort schreiben, dazu kam es leider nicht mehr. Diesen Part hat nun Alexander übernommen.

Das Buch können Sie in jeder Buchhandlung oder hier bestellen.

Neue Mitarbeiterin

Von Juli an wird uns Laura Mayer im Büro verstärken. Wir freuen uns sehr, sie gewonnen zu haben! Der erfreuliche Hintergrund: Sandra Dombrowski wird ab Oktober in Mutterschutz und Elternzeit gehen. 1.000 Dank für Deine wertvolle Unterstützung, liebe Sandra!

Zitat aus unseren Seminarinhalten:

„Verantwortung für sich zu übernehmen schließt die Verantwortung für die eigene Sprache ein.“

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